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LH Stelzer: Gedenkfeier Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim 1. Oktober 2024

Am 1. Oktober 2024 gedenken zahlreiche Ehrengäste, darunter Angehörige und Nachkommen von Opfern, sowie diplomatische Vertreterinnen und Vertreter aus 20 Ländern – unter ihnen Botschafterinnen und Botschafter – im Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim den Menschen, die hier während der NS-Herrschaft ermordet wurden. Insgesamt werden 219 Gäste teilnehmen. Der 1. Oktober ist historischen Forschungen zufolge das Datum, an dem der sogenannte „Gnadentoderlass“ Adolf Hitlers erlassen und später auf den 1. September rückdatiert wurde. Dieses historische Dokument bot die Grundlage der Euthanasiemorde in Hartheim und fünf weiteren Tötungsanstalten in der NS-Zeit.

Im Renaissanceschloss Hartheim, das bis März 1940 eine Pflegeeinrichtung für Menschen mit Behinderungen war, wurden zwischen Mai 1940 und November 1944 30.000 Menschen ermordet. 18.000 von ihnen waren Menschen mit Behinderungen, psychischen oder chronischen Krankheiten, 12.000 waren Häftlinge aus Konzentrationslagern, die aufgrund der körperlichen Ausbeutung nicht mehr arbeiten konnten, sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Die Menschen wurden in einer Gaskammer im Erdgeschoss ermordet und die Leichen anschließend in einem eigens dafür eingebauten Ofen verbrannt. Um möglichst wenig Spuren zu hinterlassen, wurden die Asche und letzte persönliche Gegenstände der Menschen rund um das Schloss am Gelände vergraben. Nach archäologischen Grabungen Anfang der 2000er Jahre wurde die Asche wieder beigesetzt und ein Grabmal errichtet. An diesem Grabmal findet auch die jährliche Gedenkfeier statt.

Nach der Begrüßung durch die Obfrau des Vereins Schloss Hartheim, Prof. Konsulentin Dr.in Brigitte Kepplinger, spricht Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer Worte des Gedenkens.
Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer betont in seiner Rede: „Die Gedenkfeier in Schloss Hartheim ist jedes Jahr ein sichtbares Zeichen dafür, dass sich Oberösterreich zu seiner Verantwortung aus der Geschichte bekennt. Schloss Hartheim ist ein Ort, an dem es darum geht, den „Wert des Lebens“ immer wieder neu zu diskutieren und die Menschen – vor allem junge Menschen, für dieses Thema zu gewinnen. Unser Erinnern darf aber niemals erst in der Stunde null, im Jahr 1945 anfangen. Zu unserem Erinnern gehört auch das Bewusstsein, dass unser Land in den Jahren davor vom Nationalsozialismus in den Abgrund des Verbrechens gestoßen wurde. Es ist ein fester Bestandteil der Erinnerungskultur, diesen Abgrund auszuschildern und sichtbar zu machen. Das macht eine gemeinsame Erinnerungskultur so wichtig. Zu ihr gehört der demokratische Grundkonsens der Null-Toleranz gegenüber zerstörerischen Hetzern und Extremisten aller Art.“

Die diesjährige Gedenkrede wird von Nikolaus Habjan gehalten. Der Nestroy-Preisträger hat sich unter anderem durch sein Figurentheater „F. Zawrel- erbbiologisch und sozial minderwertig“ einen Namen in der Gedenkkultur gemacht. Er befasst sich darin mit dem Schicksal von Friedrich Zawrel, der die medizinischen Experimente am Wiener „Spiegelgrund“ überlebte und später als Zeitzeuge seine Erlebnisse schilderte. Nikolaus Habjan hebt in seiner Rede hervor, dass eine Geschichtsvergessenheit dazu führen würde, dass sich am Ende die Dinge nicht zum Positiven verbessern können. Einen Anlass für seine Auseinandersetzung mit der Geschichte bot die Bekanntschaft mit Friedrich Zawrel: „Was hier im Schloss Hartheim geschah, weiß ich nur, weil ich das Glück hatte, Friedrich Zawrel kennengelernt zu haben.  Einen Menschen, der mir in Sachen Geschichte die Augen geöffnet hat. Als einer der vielen Opfer der unmenschlichen NS-Justiz und NS-Medizin, hat er jahrzehntelang gelitten, sich aber nie unterkriegen lassen. Er schrieb als Zeitzeuge seine Geschichte in viele Köpfe und Herzen junger Menschen, denen er eine Ahnung von der Ungerechtigkeit und Grausamkeit der Jahre 1938 bis 1945 vermittelte. Emotional erfahrbar machte. Er erzählte von seiner Jugend, von den Umständen, die den Menschen von damals, es leicht machten, im März 1938 begeistert einem Führer zuzujubeln, der sofort danach begann, das „sogenannte“ „Gesindel“, Homosexuelle, Roma und Sinti sowie das „unwerte“ Leben zu vernichten.“

Habjan führt weiter aus, dass in seiner Schullaufbahn das Thema NS-Euthanasie nur gestreift wurde, zudem legt er dar, wie die Gedenkkultur in unterschiedlichen Regionen in Österreich gelebt wird und wurde. Dass die Opfer der Euthanasie zum Großteil namenlos bleiben und auch über die Täter:innen lange nicht gesprochen wurde. Er merkt zudem an, dass die öffentliche Auseinandersetzung mit den Täter:innen als sehr ambivalent eingestuft werden muss und der Aushandlungsprozess der Bewertung bis heute andauert und man mancherorts gerne den Mantel des Schweigens über die Geschehnisse breiten würde.
Habjan kommt zu folgendem Fazit: „Halten wir die Erinnerung an das schreckliche Geschehen frisch, auch wenn die Zahl der Zeitzeugen immer kleiner wird. Nützen wir alle Möglichkeiten, die uns von der Technik, der Kommunikation und der Kunst geboten werden. Es geht um die Menschlichkeit, die den Mördern in Weiß gefehlt hat. Bewahren wir dieses Gefühl, das uns als mitfühlende, mitleidende, helfende und tröstende Wesen auszeichnet[…].“

Im Anschluss an die Gedenkrede werden auf dem Friedhof der Opfer Gebete von Vertretern der katholischen und der evangelischen Kirche sowie der Israelitischen Kultusgemeinde gesprochen und Kränze von diplomatischen Vertretern und Organisationen niedergelegt.

Jenen Menschen, die nicht an der Gedenkfeier teilnehmen können, steht ab kommender Woche eine Video-Aufzeichnung im Youtube-Kanal des Lern- und Gedenkorts zur Verfügung.

Anlässlich der Gedenkfeier wird dem Lern- und Gedenkort auch ein Mahnmal zur Erinnerung an die Euthanasie-Opfer übergeben und eine Ausstellung von Werken von Schüler/innen des Körnergymnasiums Linz eröffnet. Im Vorfeld der Gedenkveranstaltung erhält der Lern- und Gedenkort das Mahnmal „Reichsausschusskind“ als Schenkung vom Österreichischen Berufsverband der Sozialen Arbeit. Das Mahnmal entstand 2006 und wurde zum Gedenken an die Opfer der NS-Fürsorge von Karl-Heinz Simonitsch gestaltet.
Bei der Übergabe anwesend sind Vertreter des Österreichischen Berufsverbands der Sozialen Arbeit, u.a. der Vorsitzende Christoph Krenn und Vertreter:innen des Vereins Schloss Hartheim.

Die Ausstellung des Körnergymnasiums Linz „Streiflichter im Nebel“ befasst sich mit dem Lern- und Gedenkort als Gesamtheit: Unter der Projektleitung von Peter Pohn, Andreas Egger und Cornelia Werth haben Schülerinnen und Schüler des Körnergymnasiums Linz in den Fächern Geschichte, Ethik und Kunst ein Ausstellungsprojekt realisiert. Ganz im Sinne von Sehen, Hören und Lesen verschränken sich bei dieser Ausstellung Ebenen der Fotografie, Malerei, Literatur und Interviews zu einem kompletten Werk. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Atelier Neuhauserstadl des Instituts Hartheim unter Leitung von Alfred Heindl und zeigt auch Werke aus deren Sammlung. Sie wird im Rahmen der Gedenkfeier am 1. Oktober eröffnet und ist bis 30. November 2024 zu den Öffnungszeiten des Lern- und Gedenkorts Schloss Hartheim in der Sala terrena zu besichtigen.

Zum Ort und seiner Geschichte:
In Schloss Hartheim in Alkoven (OÖ) war von 1940 bis 1944 eine NS-Euthanasieanstalt untergebracht, in der nahezu 30.000 Menschen ermordet wurden. Sie waren teils Bewohner/innen von Heil- und Pflegeanstalten sowie Betreuungseinrichtungen, teils arbeitsunfähige KZ-Häftlinge aus den Lagern Mauthausen, Gusen, Dachau und Ravensbrück sowie Zwangsarbeiter/nnen.

1995 wurde der Verein Schloss Hartheim gegründet, dessen Ziel es war, in Schloss Hartheim einen angemessenen Ort der Erinnerung, des Gedenkens und der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu schaffen. Im Jahr 2003 wurde aus Mitteln des Landes OÖ und des Bundes mit der Gedenkstätte und der Ausstellung „Wert des Lebens“ der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim errichtet. 2021 öffnete die neue Dauerausstellung – finanziert aus Mitteln des Landes OÖ – ihre Türen.

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