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LH Stelzer bei Gedenkfeier in Schloss Hartheim: „Das Gedenken in der Gegenwart leben und gleichzeitig in die Zukunft weiterdenken“

Um der rund 30.000 Opfer der NS-Euthanasie im Schloss Hartheim zu gedenken, finden sich heute, am 1. Oktober 2022, zahlreiche Ehrengäste, darunter Angehörige und Nachkommen von Opfern, sowie diplomatische Vertreterinnen und Vertreter aus 20 Ländern im Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim ein.

 

Nach der Begrüßung durch die Obfrau des Vereins Schloss Hartheim, Konsulentin Dr.in Brigitte Kepplinger, spricht Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer Worte des Gedenkens.

 

Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer betont in seiner Rede, dass sich Oberösterreich wie kaum ein anderes Land der Tatsache stelle, Opfer des NS-Systems, aber auch eindeutiger Täter gewesen zu sein, etwa hier in Hartheim, wo furchtbare Verbrechen begangen wurden.

 

„Mit dem Tatort Hartheim gehen wir einen besonderen Weg. Wir haben eine Gedenkstätte geschaffen, die das Gedenken in der Gegenwart lebt und gleichzeitig in die Zukunft weiterdenkt. Gerade für junge Menschen und gerade in Zeiten wie diesen ist Hartheim ein wichtiger Lern- und Gedenkort“, betont Landeshauptmann Thomas Stelzer. Die Geschichte kenne keinen Automatismus hin zu Frieden oder mehr Gerechtigkeit, so der Landeshauptmann weiter. Das zeige leider auch gerade die aktuelle Zeit. „Daher ist das Gedenken und Lernen aus der Geschichte so wichtig.“

 

Die diesjährige Gedenkrednerin, Dr.in Marianne Schulze, Gründungsvorsitzende des österreichischen Monitoringausschusses zur Einhaltung der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, unterstreicht die Bedeutung des gemeinsamen Gedenkens – vor allem in einer Zeit der Krisen und Konflikte.

 

Marianne Schulze geht auch auf ihre Familiengeschichte ein. Ihr Urgroßvater Adolf Böhm, Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und Historiker der zionistischen Bewegung, wurde von Adolf Eichmann massiv unter Druck gesetzt. Er erlitt schließlich einen Nervenzusammenbruch, wurde in die Heil- und Pflegeanstalt „Am Steinhof“ in Wien eingewiesen und von dort im April 1941 zur Ermordung nach Hartheim gebracht.

 

Auf die Verbrechen des Nationalsozialismus habe nach 1945 die damals noch junge Staatengemeinschaft in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ihre Antworten gefunden: „Alle Menschen sind gleich an Rechten und Würde geboren …“

 

Trotz der Bemühungen zur Verbesserung der Situation von Menschen mit Behinderungen und nicht zuletzt auch der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die 2006 fertig verhandelt wurde, gebe es laut der Rednerin noch sehr viel zu tun. Die Lebensrealität von Menschen mit Behinderungen scheitere noch immer „täglich an diesem Anspruch, Chancengleichheit und die Durchsetzung sämtlicher Menschenrechte zu gewährleisten“. Es bräuchte weiterer Anstrengungen, „dass Menschen mit Behinderungen respektiert und geachtet werden, in ihrer Selbstbestimmung gestärkt und anerkannt werden und ein gleichberechtigtes Leben führen können“. Die Ursache für diese Schieflage liege nicht im Versagen einzelner Akteure, sondern vielmehr auf einer strukturellen Ebene, so Marianne Schulze. Hier brauche es dagegen „die Beachtung und Implementierung aller Menschenrechte für alle“ und „einen selbst-kritischen Umgang mit struktureller Gewalt, sei es im Bildungsbereich, in der Prävention von unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder auch dem Umgang mit jenen, die für ihre Meinung aktiv bedroht werden“.

 

Zum Schluss ihrer Rede betont Marianne Schulze noch die Bedeutung der 2021 eröffneten neuen Dauerausstellung in Hartheim, die sich besonders der Situation von Menschen mit Behinderungen widmet. Die Vermittlung der Inhalte des Lern- und Gedenkorts – vor allem auch an ein junges Publikum – solle für „Mechanismen des Ausschlusses“ genauso wie für die „Konsequenzen von unhinterfragten Normen“ sensibilisieren.

 

Im Anschluss an die Gedenkrede werden auf dem Friedhof der Opfer Gebete von Vertretern der katholischen und der evangelischen Kirche sowie der Israelitischen Kultusgemeinde gesprochen und Kränze von diplomatischen Vertretern und Organisationen niedergelegt.

 

Aufgrund der Covid-19-bedingten Schutzmaßnahmen findet die Gedenkfeier heuer bereits zum dritten Mal nur im Außenbereich des Schlosses am Friedhof der Opfer statt. Jenen Menschen, die nicht an der Gedenkfeier teilnehmen können, stehen wieder ein Livestream am YouTube-Kanal des Lern- und Gedenkorts zur Verfügung. Auf diesem Kanal kann eine Aufzeichnung der Gedenkfeier auch noch später angesehen werden.

 

Zum Ort und seiner Geschichte:

In Schloss Hartheim in Alkoven (OÖ) war von 1940 bis 1944 eine NS-Euthanasieanstalt untergebracht, in der nahezu 30.000 Menschen ermordet wurden. Sie waren teils BewohnerInnen von Heil- und Pflegeanstalten sowie Betreuungseinrichtungen, teils arbeitsunfähige KZ-Häftlinge aus den Lagern Mauthausen, Gusen, Dachau und Ravensbrück sowie ZwangsarbeiterInnen.

1995 wurde der Verein Schloss Hartheim gegründet, dessen Ziel es war, in Schloss Hartheim einen angemessenen Ort der Erinnerung, des Gedenkens und der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zu schaffen. Im Jahr 2003 wurde aus Mitteln des Landes OÖ und des Bundes mit der Gedenkstätte und der Ausstellung „Wert des Lebens“ der Lern- und Gedenkort Schloss Hartheim errichtet. 2021 öffnete die neue Dauerausstellung – finanziert aus Mitteln des Landes OÖ – ihre Türen.

 

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